Geschichten-Schatztruhe
Marianne Thiele
Bülten Verlag, 2009
ISBN: 978-3-938510-53-6
Hast du schon einmal etwas von einem Murrpukki gehört? Und kennst du den Eiszwerg Roderich? Oder bist du auch schon der Nixe Güldenstern begegnet?
Nein? Alles nicht?
Dann solltest du dieses Buch lesen und der Schatzruhe Geschichte auf Geschichte entnehmen. Hier lernst du nämlich noch mehr kennen und kannst - wenn du möchtest - die vier Jahreszeiten erleben.
Abenteuer, Komisches, manchmal gruselt auch ein wenig.
Marianne, die alles für euch aufgeschrieben hat und Günter, der die schönen Bilder malte, wünschen euch viel Vergnügen. Das werdet ihr garantiert haben. Garantiert.
Leseprobe:
Rums!, lärmte der Donner. Zickezacke!, funkelten die Blitze. Sie tauchten Ronnys nachtdunkles Kinderzimmer in ein fahlgelbes Licht. Die Eltern waren im Theater und er war ganz allein. Deshalb setzte sich der kleine Junge in den Kleiderschrank und ließ seine Taschenlampe aufleuchten.
„Licht aus! Aber dalli!“, rief ein empörtes Stimmchen. Ronny gehorchte verdattert. „Is –ist hier n-noch je-jemand?“, stotterte er. „Na klar, sonst könnte sich ja wohl keiner melden“, knurrte das Stimmchen. „Ich bin Gruselfix, ein kleines Gespenst. Draußen sitzt meine ganze Familie im Apfelbaum. Vater Bu, Mutter Huhu und mein Schwesterchen Julchen. Alle warten darauf, ob ich dich erschrecken kann. Dann habe ich nämlich die Gespensterkinderprüfung bestanden. Aber – du sagst ja gar nichts?“
Ronny brachte kein Wort raus. Er tastete in der Dunkelheit nach seinem Taschentuch. „Eh, lass mich sofort los!“, beschwerte sich das Stimmchen. „Putz dir deine Schniefnase mit einem Mantel, aber nicht mit mir!“ Ronny gehorchte weinend. „Du bist echt ein Problem“, seufzte Gruselfix. „Du leidest am SB-Effekt, klarer Fall.“ „SB? Heißt das Selbstbedienung?“ „Ne, mein Süßer, das heißt Superbammel“, kicherte das Gespenst. „Du machst dir vor Gewittern ins Hemd. Deshalb wirst du diesen Schrank auch nicht freiwillig verlassen. Aber SB ist heilbar. Pass auf, wir arbeiten jetzt mal zusammen. Hör mir gut zu...“
Im Apfelbaum rief Vater Bu aufgeregt: „Seht ihr? Es geht los!“ Und wirklich! Im Kinderzimmer geisterte das Licht einer Taschenlampe umher. Offenbar sprang ein kleiner Mensch vom Bett auf die Stühle, von da auf den Tisch und dann wieder auf den Fußboden. Als ein Blitz das Zimmer erhellte, sah die Gespensterfamilie voller Entzücken, wie Ronny weinend auf dem Fensterbrett hockte. „Klarer Fall, Gruselfix hat die Prüfung bestanden!“, sagte der Vater stolz.
Im Kinderzimmer war es inzwischen wieder dunkel. „Ob das für deine Familie gereicht hat?“, kicherte Ronny. Das Springen auf den Möbeln hatte ihm Heidenspaß gemacht. „Glaub schon“, lachte ein Stimmchen im Schrank. „Du könntest Schauspieler werden. Du hast alles genau so gemacht, wie ich es dir gesagt habe. Ist deine Taschenlampe jetzt aus?“ „Ja!“ Da kam das Gespenst heraus. Es sah wie ein weißes, langärmliges Hemd aus. Als es zum Fenster hinausflog, winkte Ronny seinem neuen Freund lange hinterher.
M. Thiele
Last Updated (Thursday, 07 March 2019 17:10)
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